Soft- und Hardskills von Unternehmensjuristen 2022

Von Viola C. Didier and Dennis Grabherr

Erschienen in: ZUJ – Zeitschrift für Unternehmensjuristen (Print)

Die Berufswelt unterliegt seit jeher einem ständigen Wandel. Coronapandemie und Digitalisierung haben allerdings wie ein Brandbeschleuniger gewirkt und auch das Umfeld der Unternehmensjuristen kräftig verändert. Welche Skills 2022 besonders gefragt sind und wie sich Bezahlung und Benefits verändert haben, zeigt Dennis Grabherr, Partner der Personalberatung Boyden und Experte für Management & Führung im In-house Bereich.

Viola C Didier: Welche Soft- und Hardskills werden der- zeit bei Unternehmensjuristen gesucht?

Deniss Grabherr: Unternehmensjuristen müssen heute viel stärker bereit sein, über den juristischen Teller-rand zu schauen. Ein General Counsel oder Leiter Recht muss jenseits der reinen Fachkompetenz in der Lage sein, andere Perspektiven einzunehmen und für das eigene Unternehmen als proaktiver Ratgeber, Risikominimierer und über die eigene Funktion hinweg als Problemlöser aufzutreten. Reputationsmanagement, strategisches und Business-orientiertes Denken und Kommuni-kationsfähigkeiten auf Augenhöhe mit dem Vor-stand sind daher unerlässlich, um der Aufgabe als „trusted advisor“ gerecht zu werden. Das bedeutet auch, dass man Zuhören und innovativ denken können muss. Daneben ist eine Affinität zu Digitalisierung fundamental, nicht zuletzt, um durch Legal Tech Lösungen Prozesse zu optimieren und idealerweise auch Kosten zu senken.

Das Veränderungspotenzial von Legal Tech ist zwar in aller Munde, es wird aber meist kurzfristig überschätzt und langfristig sicher unterschätzt.

Viola C. Didier: Bleiben wir erstmal bei den Softskills: Waren innovatives Denken und eine starke Kommunikationsfähigkeit nicht schon immer sehr wichtig?

Dennis Grabherr: Das waren und sind sie. Aber auch wenn es sich wie eine Platitude anhört: Die einzige Konstante heute ist der Wandel. Fast alle Unternehmen verändern sich gegenwärtig in derartiger Geschwindigkeit, dass man verstärkt Führungskräfte braucht, die diesem Wandel mit offenem Visier begegnen möchten, mit innovativen Ideen darauf reagieren können und auch in der Lage sind, darüber mit allen wichtigen Stakeholdern angemessen zu kommunizieren. Das Übersetzen von Herausforderungen für das Unternehmen in juristische Lösungsansätze ist eine Kernkompetenz. Dafür ist auch ständige Lernbereitschaft und -fähigkeit vonnöten, um sich dem ständig wandelnden Umfeld anzupassen. Dazu gehört stets die Offenheit gegenüber Neuem und ein Gespür für die richtige Positionierung und Wahrnehmung der Rechtsabteilung als auch rechtlicher Themen innerhalb des Unternehmens.

Viola C. Didier: Woher kommt dieser starke Wunsch nach mehr Lernfähigkeit bei den Führungskräften?

Dennis Grabherr: Natürlich hat das auch mit der fortschreitenden Digitalisierung zu tun. Aber wir reden hier nicht unbedingt nur von den technologischen Fortschritten und Digitalisierungssprüngen innerhalb der Rechtsabteilungen, sondern auch von industrie- und branchenübergreifenden Umwälzungen. Das Veränderungspotenzial von Legal Tech ist zwar in aller Munde, es wird aber meist kurzfristig überschätzt und langfristig sicher unterschätzt. Sprich: Viele reden darüber, entwickeln etwas auf die Schnelle – weil es en vogue ist – und ruhen sich dann auf den vermeintlichen Lorbeeren aus. Die fundamentale Voraussetzung für den Mehrwert der meisten Legal Tech Anwendungen ist die Bereitstellung von sauber strukturierten Datensätzen. An diesen ‚basics‘ krankt es aber oftmals, da beispielsweise Vertragsdatenbanken häufig für die Anwendungen nur unbrauchbare historische Datensätze vorhalten. Ja, Legal Tech ist und wird noch wichtiger, jedoch ist zunächst vorbereitende Grundlagenarbeit geboten. Unternehmen müssen in der Lage sind, Bestandsdaten so aufzubereiten, dass diese sinnvoll in Legal Tech Anwendungen einfließen können. Hier sind mutige juristische Führungskräfte gefragt, die auch einmal Experimente zulassen, Grenzen austesten und ihre Projektteams mit den richtigen Aufgaben betrauen.

Viola C. Didier: Mit Blick auf die Hardskills: Die Beherrschung von Legal Tech Anwendungen war ja bereits seit einiger Zeit absehbar. Wie kann man sich hier möglichst schnell auf den neusten Stand bringen?

Dennis Grabherr: Ich denke, eine one-size-fits-all-Lösung kann es hier nicht geben. Der neuste Stand hat sehr viel mit der jeweiligen Branche und dem Industriezweig zu tun, in dem sich das Unternehmen bewegt – Compliance- und Regulierungsvorgaben variieren beispielsweise branchenabhängig stark. Daher ist es nötig, dass Führungskräfte hier das große Ganze im Blick behalten und ihren Mitarbeitern den nötigen Freiraum bieten, sich mit verschiedensten Technologielösungen auseinanderzusetzen. Auch mal Fehlschläge in Kauf zu nehmen und auch eine Kultur, die Experimente zulässt, zu fördern, sind wichtige Einflussfaktoren dafür, um Unternehmen nachhaltig auf den neusten Stand zu bringen und zu halten.

Viola C. Didier: Wie hat sich das gewünschte Skillset in den letzten Jahren – vor allem seit Corona – verändert?

Dennis Grabherr: Hier beobachten wir vor allem, dass Führung in Zeiten von ‚remote-working‘ und einer 2-D-Welt vor den Bildschirmen viel heraus-fordernder ist als im Präsenzbetrieb. Als Vorgesetzter ist man gut beraten, sich intensiver als vor Corona um die Führung, Motivation und Förderung seines Teams zu kümmern. Empathie ist Kernkompetenz!

Viola C. Didier: Mit welchen kommenden Trends und Meta-Themen sollten sich Unternehmensjuristen schon jetzt befassen? 

Dennis Grabherr: Das kommt grundsätzlich für den Leiter Recht auf die jeweilige Branche an, in dem sein Unternehmen agiert. Denn hier entstehen die Impulse, die für seine Abteilung und seine Arbeit am Ende des Tages ausschlaggebend sind. Als wichtigsten allgemeinen Trend für die leider eher traditionell orientierten In-house-Juristen, die oft die größte Veränderungsresistenz in Unternehmen aufweisen, wird sich der vorhin schon erwähnte und ohnehin schon gegebene Veränderungs- und Modernisierungsdruck noch erhöhen. Hier sollten präventiv Zeit, Budget und Energie investiert werden um den abteilungsinternen Mindset entsprechend anzupassen. Dazu kommt der Siegeszug von Legal Operations für den ein Mix aus juristischen und nichtjuristischen Fähigkeit erforderlich ist. Diese Funktion wird weiter wachsen und – zumindest in größeren Unternehmen – und der zukünftige Chief Legal Operations Officer wird berechtigterweise auf Augenhöhe neben dem General Counsel sitzen.

Als Vorgesetzter ist man gut beraten, sich intensiver als vor Corona um die Führung, Motivation und Förderung seines Teams zu kümmern.

Viola C. Didier: Schauen wir noch kurz auf die andere Seite: Was können die Unternehmensjuristen neuerdings von ihren Arbeitgebern erwarten? Wie haben sich Bezahlung und Benefits gewandelt?

Dennis Grabherr: Digitales Arbeiten, Homeoffice- und Mobile-Office-Lösungen sind nicht mehr vom Markt wegzudenken. Egal ob bei Kanzleien oder Unternehmen. Abgesehen davon bieten die Unternehmen viel mehr in Richtung Work-Life-Balance als noch vor drei Jahren. Auch Modelle für Auszeiten, Sabbaticals und Elternzeiten sind mit weniger Hürden verbunden und werden freigiebiger von den Unternehmen angeboten und umgesetzt. Die Unternehmen haben inzwischen verstanden, dass sie es mit einem Bewerbermarkt zu tun haben und dass sich der „War for Talent“ – obwohl er uns schon lange begleitet – noch einmal verstärkt hat. Dies wirkt sich auch natürlich auch erhöhend auf die Rekrutierungsbudgets aus.

Viola C. Didier: In welchen Branchen werden derzeit besonders viele Unternehmensjuristen gesucht? Hat sich hier etwas verändert?

Dennis Grabherr: Das kann ich so nicht beobachten, eher stelle ich eine allgemein gestiegene Nachfrage fest. Allen Branchen ist ja momentan das Phänomen gemein, dass sie IT-lastiger und technologischer werden. Damit unterliegen sie also auch verstärkt strengen regulatorischen und Compliance Anforderungen und das Top-Management muss juristisch in diesen unsicheren Fahrwassern begleitet werden. Die dafür benötigten fachlichen juristischen Kompetenzen werden heute aber viel stärker als früher vorausgesetzt. Der große Differenzierungsfaktor für Unternehmensjuristen ist ihr Entwicklungspotenzial für Management- und Führungspositionen. Denn von Rechtsabteilungen wird zunehmend strategische Beratung für die oberste Führungsetage erwartet. Dafür braucht es sektorübergreifend die richtigen Köpfe.

Viola C. Didier: Vielen Dank für das Gespräch.

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