Die ersten 100 Tage im Einsatz – Interim Manager agieren anders als festangestellte Manager, um beim Klientenunternehmen rasche Erfolge zu erzielen. Wo die Hürden und mögliche Risiken liegen, und wie diese bestenfalls bereits im Vorfeld ausgeräumt werden können, das erfahren Sie in diesem Fachartikel.

By Norbert Eisenberg

Dieser Fachartikel erschien erstmalig am 30. November 2022 online in Consulting.de – das Portal für Unternehmensberatung in der Rubrik Hintergründe unter dem Titel „100 Tage im Amt – Fehler und Fallstricke für Interim Manager“.

Die berühmten ersten 100 Tage können Manager üblicherweise nutzen, um sich einzuarbeiten und im Unternehmen zu orientieren. Interim Manager haben oft nur diese Zeitspanne, um ihren Auftrag zu erfüllen. Worauf Klientenunternehmen und Interim Manager achten sollten, damit der Einsatz gelingt, beschreibt Norbert Eisenberg von Boyden Interim Management in seinem Beitrag.

Interim Manager entscheiden sich in der Regel für diese Profession, weil sie die Herausforderung immer neuer Situationen lieben, das Verhältnis zum Klientenunternehmen als Geschäftspartner und Berater auf Augenhöhe schätzen – und die damit verbundene persönliche und intellektuelle Unabhängigkeit. Interim Manager werden in Unternehmen geholt, um als erfahrene Lotsen mit ihrer Kompetenz und Expertise sicher durch schwierige Fahrwasser zu führen – und die „ersten hundert Tage“ kommen bei ihnen häufiger vor als bei anderen Managern – allerdings sind auch die Herausforderungen höher, erwartet man von ihnen doch schnelle Resultate. 

Sorgfalt im Auswahlprozess

Interim Manager sollte man nur werden, wenn man nicht den finanziellen Druck hat, den nächstangebotenen Auftrag anzunehmen – und als Auftraggebende sollte man Sorgfalt und Zeit in den Auswahlprozess investieren.  

Da für ein „Hereinfinden“ in die Aufgabenstellung, Branche und das Geschäftsmodell des Klientenunternehmens kaum Zeit ist, ist der wichtigste Schritt für ein Gelingen der 100 Tage und des Einsatzes insgesamt für beide Seiten ein sorgfältiger Auswahlprozess.  

Die wichtigsten Fragen sind an dieser Stelle: 

Die Aufgabenstellung und Erwartungen klar definieren

Interim Manager werden gerufen, um Veränderungen sicher zu gestalten, Transformationsprozesse erfolgreich zu durchlaufen. Das ist nicht immer bei allen Betroffenen beliebt. Es ist daher am Anfang eines Auftrages wichtig, dass die Aufgabenstellung eines Interim Managers und die Erwartungen klar definiert und kommuniziert sind, und dass Auftraggebende – ob Gesellschafter, Aufsichts- oder Beirat, Geschäftsführung – je nach Position, hinter dem Auftrag und dem ausführenden Manager stehen. Die wesentlichen Stakeholder müssen informiert sein und ggf. auch an der Entscheidung über den Interim Manager mitgewirkt haben. Zum Beispiel betrifft das in Restrukturierungssituationen oft die Finanziererseite: Interim Manager müssen die involvierten Stakeholder und ihre Interessenlage verstehen und ihre Erwartungen berücksichtigen.  

In einer persönlichen Vorstellung durch den Auftraggeber wird die Unterstützung am klarsten kommuniziert – in Zeiten von Remote Work wie in der Corona-Pandemie müssen hier geeignete Tools gefunden werden. Wir haben beispielsweise auch schon sehr persönliche Videos von Managern gedreht, damit diese im Unternehmen auch als Person „ankommen“. 

Der Start im Unternehmen 

Interim Manager sollten Vertrauen erzeugen, in sie demonstrieren, dass sie das Geschäft des Unternehmens verstehen – es aber vermeiden, vorschnell mit Handlungskonzepten aufzuwarten. Offene und ausführliche persönliche Gespräche sollten mit allen wesentlichen Mitarbeitern, den für seine Arbeit relevanten Funktionsträgern und Stakeholdern stattfinden. Hierbei müssen sie  Erwartungshaltungen abholen und ein effizientes „Management of Expectations“ betreiben. 

Hilfreich ist es dabei, wenn Interim Manager ein Toolkit für die Bestandsaufnahme mitbringen, auch Analyse- und Reporting-Werkzeuge, die idealerweise an die Informationssysteme des Klienten andocken können. 

Bereits vor dem Start sollten Manager definiert haben, welche Informationen sie benötigen und dafür sorgen, dass diese baldmöglichst nach ihrer Tätigkeitsaufnahme zur Verfügung stehen, sodass sie aus den sachlichen Informationen in Verbindung mit den Ergebnissen der persönlichen Gespräche, ggf. auch vorliegenden Beratungskonzepten eine Bestandsaufnahme durchführen können. Hierfür besteht wenig Zeit, höchstens einige Wochen zur Verfügung. Dann müssen die Ergebnisse mit den betroffenen diskutiert und abgeglichen werden, um auf dieser Basis ein Vorgehenskonzept zu entwickeln. Dieses wird einen systematisch aufgebauten Maßnahmenplan, eine Zeitplanung mit klar definierten Meilensteinen und Ergebnissen beinhalten. 

Für diese gesamte Start- und Bestandsaufnahmephase haben Interim Manager weit weniger als die im Titel zitierten 100 Tage zur Verfügung, auch in komplexen Fällen selten mehr als sechs Wochen.  

Auch erfahrene Interim Manager machen bisweilen den Fehler, zu selbstsicher aufzutreten und damit Mitarbeiter zu demotivieren. Auf konstruktiven Widerspruch sind Interim Manager aber besonders angewiesen, da sie unmöglich das Unternehmen, seine Lieferanten und Kunden in allen relevanten Facetten kennen können und ohne solche Korrekturinformationen in vermeidbare Fehler laufen. 

Bis dahin müssen allerdings nicht nur Maßnahmenpläne, Unternehmensplanungen und Meilensteine vorliegen, sondern es muss auch die Organisation für den Weg gewonnen sein und ggf. eine effiziente Projektorganisation, in der Regel auch ein Programm-Management installiert sein. In dieses sind oft auch weitere Berater – Strategieberater, Restrukturierungsberater, spezialisierte Unternehmensberater, Rechtsberater und andere – einzubinden, je nach Lage des Falls. Bei rein operativen Aufgabenstellungen werden Interim Manager in den meisten Fällen aber vor allem mit den Mitarbeitendne des Unternehmens ihr Programm auf den Weg bringen – Chance auch, um zukünftige Leistungsträger des Unternehmens zu identifizieren und zu entwickeln. 

Interim Management als Chance für einen „New Deal“

Von Interim Managern wird also deutlich mehr in seinen ersten 100 Tagen erwartet als man bei uns gewöhnlich mit diesem Begriff assoziert. Allerdings: Die „First 100 Days“ wurden vom US-amerikanischen Präsidenten Franklin Delano Roosevelt geprägt, der in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit den für die Entwicklung der Vereinigten Staaten entscheidenden „New Deal“ durchgesetzt hat. Auch der Interim Manager wird also in dieser Zeit weit über das „Ankommen“, seine Bestandsaufnahme und Konzeptentwicklung hinausgehen – bis hin zu einem Entwurf für ein neues Geschäftsmodell – New Deal! 

Hier zusammenfassend die wesentlichen Aufgaben in dieser Phase: 

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