Restrukturierung in der Praxis: Dr. Bernd Vogel im Gespräch mit Norbert Eisenberg

By Norbert Eisenberg, Boyden Interim Management
Dezember 2020

Norbert Eisenberg: In Ihrem derzeitigen Interim Management-Mandat haben Sie das Tochterunternehmen der Gruppe, von dem man sich eigentlich trennen wollte, zu einem der wesentlichen Ertragsbringer gemacht:

Was waren die entscheidenden Erfolgsfaktoren?

Dr. Bernd Vogel: Das kann man ganz gut zusammenfassen:

Norbert Eisenberg: Wir befinden uns in der global größten wirtschaftlichen Krise der Nachkriegszeit, ausgelöst von einem Virus, das sich zunächst einmal gar nicht so dramatisch ausnimmt, reale Probleme vermischen sich mit wahrgenommenen und beide beeinflussen massiv Realität und Verhalten.

Welche Auswirkungen hat das auf die Restrukturierungsarbeit eines Managers

Dr. Bernd Vogel: Das Pandemiegeschehen hat eine neue Dimension aufgemacht, das gilt sowohl für unsere Mitarbeiter, Kunden und Stakeholder, als auch für mich selbst.

Privat und geschäftlich hat die Unsicherheit zugenommen, gleichzeitig haben sich aber auch weite Felder neuer Chancen für uns ergeben.

Gerade auch mit dem Zusammenbruch internationaler Supply Chain-Ketten konnten wir uns als lokaler Partner unserer Kunden bewähren.

Besonders im Verhältnis zu den Mitarbeitern war es wichtig, diesen immer wieder eine klare Perspektive aufzuzeigen.

Permanente Unsicherheit führt auch zur Übermüdung, man agiert oft in einem nicht klar definierten rechtlichen Umfeld, auch in arbeitsrechtlicher Hinsicht.

Flexibilität in Reaktionen und Handeln war entscheidend im Umgang mit der Krisensituation.

In der Kommunikation hatten wir auch ganz banale IT-Probleme. Als Mittelstandsunternehmen waren wir nicht von vornherein auf Arbeiten im Remote-Modus vorbereitet, auf diese Weise war es auch nicht einfacher, Leute mitzunehmen.

Weitergebracht hat uns, dass von der Krise auf einmal alle um uns herum betroffen waren in der Weise, dass Restrukturierungsthemen wie z. B. Personalmaßnahmen auf deutlich mehr Akzeptanz gestoßen sind – die Menschen haben die Situation deutlich ernster genommen als sonst zu erwarten.

Norbert Eisenberg: Hat die Corona Krise Anpassungen in Strategie, Struktur, Geschäftsmodell, operativem Footprint erleichtert oder erschwert? 

Dr. Bernd Vogel: Wir hatten in der Zeit von Februar bis Mai ein Quartal, das aus der normalen Unternehmensentwicklung eher herausgeschnitten wurde. In dieser Zeit haben wir uns vor allen Dingen damit beschäftigt, die akute Krise zu meistern. Das Transformationsprojekt, das wir zuvor angestoßen hatten, wurde hierdurch erheblich „entschleunigt“.

Norbert Eisenberg: Herr Dr. Vogel, Sie machen ja nicht die erste Restrukturierungsaufgabe – aus dem Nähkästchen geplaudert: Was sind aus Ihrer Sicht die Dos and Don’ts eines Restrukturierungsmanagers?

Dr. Bernd Vogel: Wichtig ist es, zunächst einmal am Anfang, Zeit zu nehmen, Zeit auch, die Kultur des Unternehmens aufzunehmen.

Als zweites Element sehe ich, unbedingt konsequent der Umsetzungsstrategie zu folgen.

In fast jedem Projekt sehe ich den vorausgegangenen Fehler, mit den Menschen im Unternehmen nicht in ausreichendem Maße zu kommunizieren, sie nicht mitzunehmen.

Bei der Neuausrichtung gilt es nicht nur, den Zielzustand zu beschreiben, sondern sehr genau und detailliert und für alle verständlich auch den Weg dorthin.

Norbert Eisenberg: Wenn ich Ihren Lebenslauf richtig interpretiere, haben Sie sich durchgängig mit Innovationen und strukturellen Veränderungen von Unternehmen beschäftigt – ein Erfolgsfaktor für einen Interim Manager?

Dr. Bernd Vogel: Wichtig war es vor allem auch, viele Aufbau- und Geschäftsentwicklungsaufgaben vor dem Hintergrund eines breiten Erfahrungsspektrums übernommen zu haben. Auch selbst einmal in der Produktion gewesen zu sein, hilft. Man muss Sensibilität für alle Geschäftssituationen, in der Anpassung von Geschäftsmodellen für Restrukturierungsaufgaben mitbringen.

Norbert Eisenberg: Hilft die Erfahrung in der Unternehmensberatung bei Bestandsaufnahme, Konzeptentwicklung und Kommunikation nach innen und außen?

Dr. Bernd Vogel: Durch die Erfahrung in der Unternehmensberatung weiß ich den Mehrwert eines strukturierten Arbeitens sehr zu schätzen. Durch die Beratungstätigkeit habe ich auch eine Vielzahl von Methoden kennengelernt, die ich jetzt situationsadäquat einsetzen kann, speziell in der Bestandsaufnahme profitiere ich hier sehr. Auch in der Gestaltung des Change Prozesses, darin Management und Mitarbeiter auf den Veränderungsweg mitzunehmen, hilft mir die Beratungserfahrung.

In der Unternehmensberatung war ich einfach in der einzigartigen Situation, innerhalb von einige Jahre sehr viele verschiedene große Unternehmen, Wertschöpfungsketten, sehr viele Geschäftsmodelle zu sehen international.

Norbert Eisenberg: Zum Schluss unseres Gesprächs würde ich den Themenrahmen noch etwas ausweiten: Was müsste sich an den politisch gesetzten Randbedingungen ändern, damit Deutschland und Europa gestärkt aus der Krise kommen können?

Dr. Bernd Vogel: Aus meiner persönlichen Perspektive nur eine Anmerkung hierzu: Der Staat sollte Entwicklungen, Strukturveränderungen mit initiieren und unterstützen, auch mit Investitionsprogrammen, z. B. für die Automobilindustrie.

Hier gibt es jetzt Chancen, Akzente zu setzen, die es sonst vielleicht nicht gegeben hätte. Es gilt weniger, den Status Quo ante zurückzugewinnen, sondern Zukunftschancen zu nutzen.

Das Thema Digitalisierung wird für jeden immer greifbarer.

 

Dr. Ing. Bernd Vogel

 

Das Interview ist Bestandteil des Newsletters Boyden Interim Management - Insight 05

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