Interim Manager treiben ESG-Ziele voran – Pragmatische Lösung für den Mittelstand: Mit der schrittweisen Einführung der 2022 in Kraft getretenen EU-Richtlinie „Corporate Sustainability Reporting Directive“ (CSRD) müssen zukünftig alle Unternehmen ökologische und soziale Kennzahlen transparent machen.

Von Annette Neumann, Freie Journalistin, Berlin

Dieser Artikel erschien erstmalig in „Personalführung“ – Das DGFP-Magazin für das Personalmanagement, Ausgabe 11/2023. Geschrieben von Annette Neumann, Freie Journalistin, Berlin.

Die neue Gesetzgebung stellt vor allem den Mittelstand vor Herausforderungen. Denn die CSRD beinhaltet die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, die auf bisher nicht betroffene Unternehmen erweitert wird. Viele Unternehmensbereiche, darunter die Personalabteilungen, sind noch nicht vorbereitet. Eine aktuelle Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC, für die rund 160 mittelständische Unternehmen befragt wurden, kommt zum Ergebnis, dass Nachhaltigkeit oft von dringenderen Themen, zum Beispiel den gestiegenen Energiekosten, überlagert und auch nicht strategisch angegangen wird. Es ist höchste Zeit, ESG (Environmental, Social and Corporate Governance) ganzheitlich in der Unternehmensstrategie zu verankern, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Handlungsdruck ist je nach Branche und Unternehmensgröße unterschiedlich. Manche Branchen, die bei einem Nichterfüllen der ESG-Kriterien größere Risiken eingehen würden, zum Beispiel Energie- und Umwelttechnologie oder Finanzdienstleister, haben sich mit dem Thema bereits auseinandergesetzt. Das ist die Erfahrung von Tapani Hänninen, der als Partner der Boyden Interim Management GmbH unter anderem Interim Manager im produzierenden Mittelstand sowie für Banken und Private-Equity-Gesellschaften vermittelt. Der Mittelstand spüre noch nicht den nötigen Handlungsdruck. Hinzu kommt: „Viele Personalverantwortliche vor allem in KMU haben oft nicht die Expertise und die notwendigen Ressourcen, um das Thema zu treiben.“ Hier kommen Interim Manager ins Spiel, die schnell mobilisiert werden und komplexe Themen mit unvoreingenommenem Blick umsetzen können. Hänninen geht davon aus, dass die Nachfrage nach Interim Managern mit ESG Expertise stark zunehmen wird, spätestens dann, wenn 2025 die Berichtspflicht auch für KMU ansteht.

Faire Arbeitsbedingungen gestalten

Bei ESG-Projekten kommt es darauf an, eine Nachhaltigkeitsstrategie gemäß der notwendigen Richtlinien aufzusetzen. Interim Manager, die die rechtlichen Rahmenbedingungen kennen und den Prozess mit Stakeholdern und Investoren moderieren können, sind im Vorteil. Corinna Knott, Interim Managerin der Dachgesellschaft Deutsches Interim Management (DDIM), begleitet Unternehmen bei Transformationsprozessen und bringt Know-how aus zahlreichen Mandaten mit. Sie unterstützt Mittelständler bei der Erarbeitung und Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie: „Wichtig ist die Durchführung einer Wesentlichkeitsanalyse, um Themen sowie relevante Chancen und Risiken für Unternehmen und Stakeholder zu identifizieren.“ ESG ist ein interdisziplinäres Thema, bei dem sämtliche Prozesse entlang der Wertschöpfungskette geprüft werden – von der Beschaffung über Produktentwicklung, Compliance, Rechnungswesen, Vertrieb und HR. „Vor allem Mittelständler können sich mit dem Thema ESG positionieren, denn die Nachhaltigkeitsberichte müssen künftig auch Angaben zur sozialen Verantwortung des Unternehmens enthalten“, sagt Hänninen. Unter anderem müsse HR auf die Einhaltung der Arbeitsgesetze achten, für faire Arbeitsbedingungen und ein gesundes Arbeitsumfeld sorgen. Bei der Berichterstattung komme es auf eine solide Datenbasis an, um gegenüber Investoren und anderen Stakeholdern nachhaltiges Handeln zu belegen: „Wenn ESG ernst gemeint und damit glaubwürdig ist, dann muss das Thema bei der Geschäftsführung angehängt sein. HR sollte sich als ein Schlüsselpartner verstehen und einen Platz am Vorstandstisch einnehmen.“

Quelle: Dachgesellschaft Deutsches Interim Management e.V. (DDIM)

So arbeiten Interim Manager

Vermittlung: Interim-Management-Provider vermitteln entsprechend dem Anforderungsprofil der Kunden kurzfristig geeignete und verfügbare Kandidaten aus ihrem Pool. Hierfür erhalten sie eine Provision, die durchschnittlich bei 25 Prozent des Gesamthonorars liegt, das der Kunde bezahlt.

Verträge: Bestandteile der individuell vereinbarten Dienstleistungsverträge sind unter anderem die Ziele und Aufgaben, die geplante Einsatzdauer, die gewünschte Einsatzintensität pro Woche und der vereinbarte Tagessatz.

Vergütung: Die knapp 700 Interim Manager der DDIM sind durchschnittlich rund 160 Tage im Einsatz und erhalten einen durchschnittlichen Tagessatz von circa 1250 Euro. Je nach Qualifikation, Erfahrung und Verantwortungsbereich sind auch Tagessätze bis 2500 Euro möglich.

Ethisches Verhalten macht Arbeitgeber attraktiv

Beim Aufsetzen eines Nachhaltigkeitsprojekts oder bei der Beratung von HR Business Partnern und Partnerinnen schaut Interim Managerin Knott darauf, welche Themen im Fokus stehen. Will das Unternehmen zum Beispiel die Frauenquote auf 50 Prozent anheben und einen Equal Pay erreichen, sind je nach Unternehmensstruktur Frauen bei Neueinstellungen zu bevorzugen und ihre Gehälter zu erhöhen. HR hat die Aufgabe, Abweichungen in den einzelnen Bereichen zu identifizieren und mit den Führungskräften Ziele zur Gehaltsanpassung zu vereinbaren und zu überprüfen. Der weibliche Nachwuchs kann in leitende Positionen entwickelt werden, zum Beispiel durch Mentoring-Programme oder den Aufbau generationsübergreifender Tandems zum Wissenstransfer. Zu ESG gehört auch, lebensphasenorientierte Angebote zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privat­leben zu entwickeln. „Beispielsweise mit Teilzeitangeboten für Frauen und Männer, um im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit gleichermaßen die Betreuung von Kindern oder pflegenden Angehörigen zu ermöglichen“, wie Knott sagt. In puncto ethische Unternehmensführung (Governance) geht es darum, nachhaltige Prozesse mit Ethikrichtlinien aufzusetzen und diese intern und extern zu kommunizieren, sei es in Stellenanzeigen, bei der Mitarbeitendenauswahl oder beim Onboarding. „Als Gestalter der Kultur kommt HR die wichtige Aufgabe zu, Führungsleitlinien mit Werten zu formulieren, die Führungskräfte vorleben und mit denen sich Mitarbeitende identifizieren. Auch für Bewerber sind solche Richtlinien wichtig, um herauszufinden, ob die Werte des Unternehmens mit den eigenen übereinstimmen“, sagt Knott. Nachhaltigkeit sei ein ethischer Wert, „der neben Aufgabenbereich und Gehalt ein weiteres Entscheidungskriterium für einen Arbeitgeber sein kann“. Werde dieser Wert allerdings nicht glaubwürdig gelebt, laufe ein Unternehmen Gefahr, des Greenwashings bezichtigt zu werden: „Dann geht die Arbeitgeberattraktivität nach hinten los. Umso wichtiger ist, dass HR regelmäßig eruiert, ob die Führungskräfte entsprechend der Leitlinien führen und mit Mitarbeitenden unabhängig von Geschlecht, Alter oder Herkunft gleichermaßen fair und wertschätzend umgehen.“ Um die Führungsqualität zu ermitteln und weiterzuentwickeln, eignen sich 360­Grad-Beurteilungssysteme, regelmäßige Mitarbeitendenbefragungen und kurze Feedbackschleifen.

ESG ist vergütungsrelevant

Die Verknüpfung der Vergütung mit spezifischen und messbaren ESG-Kennzahlen kann ein wirksames Mittel sein, um ein Unternehmen auf die Erreichung seiner Nachhaltigkeitsziele auszurichten. Gemeinsam mit der Unternehmensleitung können Interim Manager festlegen, welche messbaren Faktoren als Bewertungsgrundlage für das variable Gehalt dienen sollen. Knott: „Wichtig ist, dass die Kriterien messbar, kurz- sowie langfristig angelegt sind. Sonst verebben die Anstrengungen.“ Bezogen auf die Zielvereinbarung mit einzelnen Führungskräften lässt sich zum Beispiel überprüfen, wie viele Schulungen pro Quartal genehmigt wurden, wie viele Mitarbeitende den öffentlichen Nahverkehr nutzen oder wie hoch die Inklusionsquote in einer Abteilung ist.

Eine flexible Interim-Lösung für ein zeitlich begrenztes ESG-Mandat kann sich lohnen: „Der wirtschaftliche Nutzen des externen Experten ist für die Auftraggeber schnell sichtbar. Dringende Projekte ein halbes Jahr vor sich herzutragen, ist deutlich teurer als die Investition in einen Interim Manager“, sagt Dr. Marei Strack, Vorstandsvorsitzende der DDIM. Den Interim Manager dauerhaft zu beschäftigen, ist nicht im Sinne beider Parteien. Nach Beendigung des Mandats hat er sich erfolgreich überflüssig gemacht.

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