In einem Interview für das "IndustryArena eMagazine" erklärt Helga Kayser-Dörr, Managing Partner und Global Co-Leader der Industrial Practice bei Boyden, den Trend in der deutschen Industrie zum Reshoring - und warum hochqualifizierte Mitarbeiter für die Umsetzung unverzichtbar und notwendig sind.

By Georg Dlugosch, IndustryArena eMagazine

Erscheint in: IndustryArena eMagazine

Liegt die Zukunft der deutschen Industrie in Deutschland? Die internationale Personalberatung Boyden Executive Search wirft in der täglichen Arbeit beim Headhunting einen Blick hinter die Kulissen und erkennt den Trend zum Reshoring. Helga Kayser-Dörr ist Managing Partner und als Leiterin der Praxisgruppe Industrial Manufacturing spezialisiert auf die Besetzung von Executive Search-Mandaten im Maschinenbau und der produzierenden Industrie. Seit mehr als zwei Jahrzehnten hat sie ausgiebige Erfahrungen mit mittelständischen und großen Familienunternehmen sowie Industriekonzernen gesammelt.

Welche Trends sehen Sie bei der Besetzung von Executive-Search-Mandaten in der produzierenden Industrie und der Lieferkette?

Kayser-Dörr: Das Buzzword „Industrie 4.0“ wird für vieles verwendet. Ich habe den Eindruck, dass viele Unternehmer und Unternehmerinnen diesen Begriff schon länger nicht mehr hören können. Schon 2016 haben wir daher unter dem Begriff Zerspanung 4.0 in Veranstaltungen diesen Begriff mitgeprägt, um die Digitalisierung auf die metallverarbeitenden Unternehmen zu fokussieren. Neben der Konnektivität und somit dem herstellerübergreifenden bidirektionalen Austausch von Daten mit Werkzeugmaschinen dreht sich Zerspanung 4.0 auch um das digitale Management von Ressourcen wie Material – Mensch – Maschinen – Daten.

Lässt sich ein Volumen der Maßnahmen für das Zurückholen der Produktion nach Deutschland angeben?

Kayser-Dörr: Es gibt dazu keine konkreten Zahlen, aber meiner Einschätzung nach, handelt es sich um einen signifikanten Trend.

Der Maschinenbau leidet jetzt schon an Fachkräftemangel. Wenn Fertigung zurückgeholt wird, dann werden noch mehr Fachkräfte benötigt. Wie lässt sich das bewerkstelligen?

Kayser-Dörr: Um ein erfolgreiches Reshoring zu betreiben, bedarf es dreier Dinge: eine digitale Fertigungsstrategie, Wissenstransfer und der Nähe zwischen Kunde, Entwicklung und Fertigung. Insofern braucht man hochqualifizierte Beschäftigte, die in der Lage sind, den Wertstrom zu verstehen. Sie müssen abteilungs- und projektübergreifend zusammenarbeiten. Agilität, Know-how-Sharing und Projektmanagement-Skills sind Kompetenzen, die benötigt werden. Ebenso spielen Know-how im Transformationsmanagement oder Change Management eine wichtige Rolle, damit man die Fertigung erfolgreich auf das nächste Level heben kann.

Wo findet man diese Kräfte?

Kayser-Dörr: Diese Fachkräfte sind vor allem in Branchen vorhanden, die sich frühzeitig mit den digitalen Themen beschäftigt haben wie im Bereich Fahrzeugbau, Kfz-Zulieferer und der Pharmaindustrie.

Haben Sie besondere Kanäle, auf denen sie suchen?

Kayser-Dörr: Wir suchen auf allen Kanälen. Natürlich spielen die Business-Plattformen eine Rolle, aber gerade bei Führungskräften nehmen wir eine gewisse Tendenz zurück zu den klassischen Formen der Ansprache wahr. Und zum netzwerken. Persönliche Ansprache von Personen im eigenen Netzwerk spielt eine wichtige Rolle.

Dann sind sie auf Xing und LinkedIn sehr stark unterwegs?

Kayser-Dörr: Im Executive Search führt der Mix zum Erfolg. Zu Beginn eines neuen Projekts führen wir ein ausführliches Briefing mit unseren Auftraggebern. Wir wollen die männlichen und weiblichen Entscheidungsträger kennenlernen und auch die Personen im Umfeld der gesuchten Stelle. Dann legen wir die Suchstrategie fest. Wir fragen uns, in welchen Branchen wir die gesuchten Führungskräfte finden. Mitunter muss die Person gar nicht aus der gleichen Branche stammen. Bei der Suche nach einer IT-Führungskraft kann man beispielsweise das Feld deutlich erweitern und in anderen Branchen suchen.

Wie schätzen Sie die Stellung Deutschlands ein, sich gegen andere Länder im Wettbewerb behaupten zu können?

Kayser-Dörr: Ich sehe Deutschland tatsächlich gut aufgestellt, da sollten wir unser Licht nicht unter den Scheffel stellen. Von unserem Ausbildungs- und Hochschulwesen sind wir vorne mit dabei. Als Unternehmen muss man sich natürlich auch überlegen, wo ich ein neues Werk aufbaue. Beispiel Bosch: Die Entscheidung für den Bau der Chipproduktion bei Dresden wurde ganz bewusst getroffen. Es zeigt, Deutschland kann als Standort überaus attraktiv sein, und hier sind qualifizierte Mitarbeiter vorhanden.

Als Standort für Elektronik hatte sich Sachsen früher nicht sonderlich hervorgetan. Was war dort ausschlaggebend für die Ansiedlung von Elektronikunternehmen?

Kayser-Dörr: Es sind schon einige Unternehmen aus diesem Umfeld, die sich dort angesiedelt haben, das hat Sogwirkung für Marktbegleiter, Lieferanten und qualifizierte Mitarbeiter. Sicherlich hat auch die öffentliche Förderung eine Rolle gespielt. Es ist zudem ein gutes Umfeld von Universitäten und Hochschulen vorhanden.

Wie kann denn jemand, der wechselwillig ist, auf sich aufmerksam machen?

Kayser-Dörr: Klappern gehört zum Handwerk – nach wie vor. Dazu mein Rat, unbedingt bei der Wahrheit zu bleiben. Der Lebenslauf sollte professionell aufbereitet sein. Wechselwillige sollten ihr Netzwerk pflegen und sich über die Mitarbeit in Fachverbänden oder durch Präsenz auf Fachmessen profilieren. Dazu ist es ratsam, zu ausgewählten Executive-Search-Beratungen Kontakt zu halten, weil ein erheblicher Teil der Vakanzen nicht öffentlich ausgeschrieben wird.

Wie wichtig ist die professionelle Unterstützung?

Kayser-Dörr: Unterstützung durch einen Personalberater ist empfehlenswert. Zum einen vergrößert sich das Netzwerk, somit die Jobchancen höher, und zum anderen ist das professionelle Feedback von außen hilfreich.

Was sollte ein Suchender auf keinen Fall machen?

Kayser-Dörr: Anders formuliert, lautet die Frage, wonach suchen wir im Geschäftsleben? Und was erwarten Unternehmen von ihren Beschäftigten? Transparenz, Verbindlichkeit, Verlässlichkeit. Das sollten Wechselwillige auch im gesamten Bewerbungsprozess beherzigen. Das bedeutet, kein Taktieren, keine Unwahrheiten und kein Verschwinden von der Oberfläche, wenn es brenzlig wird. Wichtig ist eine gute Erreichbarkeit. Wir erfahren das immer wieder, dass Personen in einem Projekt plötzlich wegtauchen und für uns nicht mehr erreichbar sind, diese landen auf der No-Go-Liste.

Welche Kandidaten schätzen Sie am meisten?

Kayser-Dörr: Am liebsten sind mir Kandidaten und Kandidatinnen, die transparent, verbindlich und verlässlich in Kommunikation und Auftritt sind. Das ermöglicht uns, den perfekten Match von Position und Unternehmen, von Aufgabe und Mensch.

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